Königreich Bayern Vortrag von Fassl in Günzburg

Vortrag: Schwaben in Bayern systematisch benachteiligt?

Königreich Bayern Vortrag von Fassl in Günzburg
War und ist Schwaben ein benachteiligter Teil Bayerns? Darüber sprach Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl bei einem Vortrag in Günzburg. Foto: Kaiser

Schwaben in Bayern systematisch benachteiligt?

Vortrag von Bezirksheimatpfleger Dr. Fassl gibt Antworten

Ist das nur Einbildung? Gar der Ausdruck eines Minderwertigkeitsgefühls? Oder ist was dran an der These, dass Schwaben in den gut 200 Jahren seiner Zugehörigkeit zu Bayern systematisch hintangestellt wurde? Ist der bis heute geführte „Benachteiligungsdiskurs“ also gerechtfertigt? In einem knapp zweistündigen Vortrag ging Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl diesen Fragen nach. Veranstaltet wurde der nur mäßig besuchte Abend im Forum am Hofgarten von Volkshochschule und Historischem Verein im Rahmen ihrer Reihe „Günzburger Geschichtsforum“. Hintergrund waren die Feierlichkeiten 200 Jahre bayerische Verfassung und 100 Jahre Freistaat Bayern.

Schwaben führte als erster bayerischer Bezirk 1929 die Stelle eines Bezirksheimatpflegers ein. „Aus dem Eindruck heraus, dass es Schwaben nicht ganz so gut geht“, wie Fassl sagte. In der Folge legte der Bezirksheimatpfleger detailliert dar, dass Schwaben vor allem im 19. Jahrhundert, aber auch noch bis in die jüngere Vergangenheit hinein von den Landeregierungen nicht eben mit Wohltaten überschüttet wurde.

Bayerische Könige bevorzugten München. Schwaben abgehängt.

Vorrang für die bayerischen Könige des 19. Jahrhunderts hatte der Ausbau Münchens. Für die Prunkbauten der Landeshauptstadt war reichlich Geld vorhanden, namentlich Schwaben wurde mit Brosamen abgespeist. Mit allen damit verbundenen Folgen. Das Bildungssystem war erbärmlich, auf einen der schlecht bezahlten Lehrer kamen 60 Kinder. Nicht besser war es um das Gesundheitssystem bestellt, die Säuglingssterblichkeit war überdurchschnittlich hoch. Die Entwicklung kleinerer Städte wie Günzburg und Ichenhausen kam dadurch kaum voran. Fassl: „Sie wurden einfach abgehängt“. Auch bei der Infrastruktur fanden die Wünsche Schwabens bei Hofe kaum Gehör. Eine Bahnlinie von Augsburg nach Ulm wurde ebenso abgelehnt wie eine Bahnlinie über den Fernpass nach Norditalien. Stattdessen führten die Gleise über München an den Brenner und von dort zu den Handelspartnern im Süden.

Degradiert und verschoben

Auch in künstlerischer Hinsicht sei Schwaben „trocken gelegt“ worden. Die Augsburger Kunstakademie wurde bereits 1808 nach München verlegt und zur Kunstschule degradiert. Nicht besser erging es dem Augsburger Bankenwesen. Die dortige Börse wurde gleichfalls nach München verschoben. Manche Historiker, so Fassl, meinen den Grund für diese Politik zu kennen. „Augsburg und Schwaben liegen zu nah bei München“. Wer nährt schon die Konkurrenz vor der eigenen Haustür? Das weiter entfernte Nürnberg kam glimpflicher davon.

Schwaben reagieren mit Flächenbrand

Die Reaktion der Schwaben auf diese Benachteiligungen blieb nicht aus. Die bürgerliche Revolution von 1848 sei in Schwaben „ein Flächenbrand“ gewesen, andernorts in Bayern blieb es weitgehend ruhig. Das liberale Gedankengut war in Schwaben besonders ausgeprägt – „eine Formulierung des Unbehagens mit der bayerischen Politik“, wie Fassl erklärte.

Fast schon amüsant ist eine andere Form der schwäbischen Widerborstigkeit. Als auf Geheiß aus München historische Vereine und Heimatmuseen gegründet werden sollten, verlegten sich die Schwaben auf einen stillen Protest: Thematischer Schwerpunkt war ihre römische Geschichte. Fassl: „Die hat München nicht“. Daneben kümmerte man sich vorrangig um die lokale und regionale Historie. „Die bayerische Geschichte kam nicht vor“.

Später Ausgleich

Der Münchner Zentralismus habe sich bis in die Zeiten von Ministerpräsident Edmund Stoiber fortgesetzt. „Seitdem ist vieles geschehen“. Augsburg und Schwaben sind mit allerlei Einrichtungen bedacht worden, bis dahin zentrale Münchner Einrichtungen sind zumindest teilweise in die Fläche verlegt worden. Insoweit ein lange nicht gekannter Fortschritt. Fazit von Peter Fassl: „Man kann durchaus von Bayerisch-Schwaben reden“. Richtiger aber wäre aus historischer Sicht der Begriff „Schwaben in Bayern“.

 

Von Walter Kaiser